DIE IMPOSANTE LANDSCHAFT

Künstler und Künstlerkolonien im Riesengebirge im 20. Jahrhundert

 

Die Ausstellung „Die imposante Landschaft. Künstler und Künstlerkolonien im Riesengebirge im 20. Jahrhundert“ wurde in den Jahren 1997 bis 1999 gemeinsam mit dem Muzeum Okręgowe w Jeleniej Górze (heute Muzeum Karkonoskie) erarbeitet. Die Ausstellung präsentierte über hundert deutsche und polnische Künstlern und Künstlergruppen, die im 20. Jahrhundert mit dem Riesengebirge verbunden waren. 150 Texttafeln und eine einführende Ton-Dia-Schau erläuterten die historischen Hintergründe sowie die Lebenswege der Künstler. Alle Texte waren in deutsch und polnisch verfasst. 


Das schlesische Riesengebirge – im Südwesten Polens, nahe der Grenze zu Tschechien und auch nicht weit von Deutschland entfernt – war und ist ein Magnet für Künstler. Die schroffen Gebirgszüge, die Hochmoore und Wasserfälle, die sanften Täler und ursprünglichen Dörfer – eben die imposante Landschaft – bietet ihnen den offenen Raum zum kreativen Arbeiten und die Abgeschiedenheit zum Experimentieren. Heute, an der Wende zum nächsten Jahrhundert, leben hier zahlreiche Maler, Schriftsteller, Bildhauer, Performance-Künstler, Theaterleute und Fotografen. Zu ihnen gehören z.B. der Bildhauer Zbigniew Frączkiewicz, der mit seinen monumentalen „Eisenmenschen“ internationale Aufmerksamkeit erregte, der Maler und Performer Tomasz Sikorski, der Schriftsteller Tadeusz Różewicz und der Grafiker Krzysztof Figielski. Aus verfallenen Höfen wurden Werkstätten, Wohnhäuser, Galerien, Kulturzentren und Treffpunkte für internationale künstlerische Veranstaltungen. Die Theatergruppe „Klinika Lalek" aus Breslau hat ein ganzes Dorf mit Leben gefüllt und baut mit der selbst gegründeten „Stiftung zur Umwandlung von Zeit in Raum" ein „interplanetarisches Königreich der Kunst." 

 

Dieses Phänomen ist nicht neu im Riesengebirge. Schon vor über hundert Jahren kehrten Künstler dem Kulturbetrieb der Metropolen den Rücken und ließen sich hier nieder. Die ersten waren die Brüder Carl und Gerhart Hauptmann, die sich 1891 in Schreiberhau ein Bauernhaus ausbauten. Ihnen folgten bald die Schriftsteller Bruno Wille und Wilhelm Bölsche aus dem Friedrichshagener Dichterkreis, die Komponistin Anna Teichmüller, der Soziologe Werner Sombart, die Maler Hanns Fechner und Hermann Hendrich. So bildete sich die erste „Schreiberhauer Künstlerkolonie". Andere Künstler und Intellektuelle blieben nur für kurze Zeit. Zu ihnen gehörten viele Prominente aus Berlin, die den Nobelpreisträger Gerhart Hauptmann in seinem pompösen Haus „Wiesenstein“ in Agnetendorf besuchten, auch Maler wie Otto Mueller und andere Professoren der Breslauer Kunstakademie, die ihren Schülern hier den Blick für die Landschaftsmalerei vermittelten. Einige dieser Schüler ließen sich später im Riesengebirge nieder und gehörten 1922 zu den Gründern der Künstlergemeinschaft St. Lukas. 

 

Die Zeit der deutschen Künstlerkolonie im Riesengebirge ging mit der Herrschaft der Nationalsozialisten ihrem Ende entgegen. Nach dem Zweiten Weltkrieg, der zur politischen Umgestaltung Europas führte, mussten alle Deutschen – auch die Künstler – das Riesengebirge verlassen. Die neuen polnischen Bewohner knüpften nicht an bestehende Traditionen an. Die Geschichte der Künstlerkolonie wäre in Vergessenheit geraten, wenn nicht die heute im Riesengebirge lebenden polnischen Künstler zunehmend ein Interesse an ihren „Vorgängern“ entwickelt.