Eine Reise in das multikulturelle Berlin
Im Berliner Stadtteil Kreuzberg hatte sich – als Folge des Baus der Mauer und der Sanierungspolitik der späten sechziger und frühen siebziger Jahre – rund um das Kottbusser Tor eine Bevölkerungsstruktur herausgebildet, die es in dieser Dichte in Deutschland selten gibt. Etwa ein Drittel der Menschen, die hier leben, sind nicht-deutscher Herkunft. Obwohl viele von ihnen einen deutschen Pass besitzen, werden sie vom Rest der Bevölkerung als „Ausländer“ betrachtet – auch wenn sie hier geboren und aufgewachsen sind. Sie haben hier in den vergangenen vierzig Jahren eine eigene Infrastruktur mit Geschäften, Cafés und Restaurants, Dienstleistungsbetrieben, Begegnungszentren, religiösen Treffpunkten sowie Jugend- und Kultureinrichtungen geschaffen.
Die Gesellschaft für interregionalen Kulturaustausch entwickelte zusammen mit dem Kreuzberg Museum und vier jungen Frauen, die in Kreuzberg geboren wurden und aufgewachsen sind, die Idee, anderen jungen Menschen ihr Kreuzberg und deren Vorstellung von einem multikulturellen Zusammenleben zu präsentieren. Angeboten wurde so ein Kreuzberg-Tag, an dem die drei jungen Frauen andere Jugendliche durch ihren Bezirk führten. Teilnehmen konnten Schulklassen, Gruppen aus Jugendeinrichtungen, Auszubildende, Wehr- und Zivildienstleistende aus den alten und neuen Bundesländern und allen Bezirken Berlins. Die Gruppen wurden am Alexanderplatz von einer der vier jungen Frauen in Empfang genommen und durch das als „Klein Istanbul“ bezeichnete Viertel von Kreuzberg geführt. Der Kreuzberg-Tage sollte Jugendlichen einen persönlichen Eindruck vom multikulturellen Zusammenleben in Kreuzberg vermitteln. Die Teilnehmer:innen hatten so direkten Kontakt mit jungen Migrant:innen und dem Alltag junger Muslime in Berlin, die ganz persönlich von ihren Erfahrungen berichten. Auf dem Programm standen ein Besuch im Kreuzberg Museum, ein orientalisches Mittagessen sowie, wahlweise, ein Besuch in einer Moschee, bei einem deutsch-türkischen Jugendprojekt oder einem multikulturellen Kulturzentrum. Bei diesen Besuchen gab es Erläuterungen durch die dort Tätigen sowie die Möglichkeit, Fragen zu stellen und eventuell Kontakte zu knüpfen. Am Ende des Tages gab es eine Diskussion über das Zusammenleben der Kulturen in Kreuzberg, bei dem die Eindrücke der Teilnehmer besprochen werden. Das Projekt sollte allen Teilnehmenden, ganz besonders aber den für rechtsextremistisches Gedankengut anfälligen Jugendlichen ein Beispiel für tolerantes Zusammenleben geben und Respekt vor anderen Kulturen fördern.
Im Jahr 2003 erhielt der X-Berg-Tag den Mete-Ekşi-Preis. Der Preis wird vom Mete-Ekşi-Fonds zur Förderung eines friedlichen Zusammenlebens von Kindern und Jugendlichen in Berlin ausgeschrieben und zeichnet Initiativen und Projekte von Jugendlichen für bürgerschaftliches Engagement aus.
Der Kreuzberg-Tag fand als Projekt der Gesellschaft von 2001 bis 2005 statt und wurde danach von den Stadtführerinnen in eigener Regie weitergeführt.